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Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland

Holocaust

Ein britischer Soldat betrachtet die zerstörten Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof von Thessaloniki. United States Holocaust Memorial Museum Photo Archives

Ein britischer Soldat betrachtet die zerstörten Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof von Thessaloniki. United States Holocaust Memorial Museum Photo Archives

Rachel und Joseph Chasid, Eltern von Margo (Chasid), mit den gelben Stern in Thessaloniki. United States Holocaust Memorial Museum Photo Archives

Rachel und Joseph Chasid, Eltern von Margo (Chasid), mit den gelben Stern in Thessaloniki. United States Holocaust Memorial Museum Photo Archives

Mit dem "Gelben Stern" sollten Juden erkennbar gemacht werden. Jüdisches Museum Griechenlands, Athen.

Mit dem "Gelben Stern" sollten Juden erkennbar gemacht werden. Jüdisches Museum Griechenlands, Athen.

Die Deportation und Vernichtung der griechischen Juden als Teil der von den Nationalsozialisten betriebenen „Endlösung“ begann im März 1943. Sie dauerte bis August 1944. Von den 71.611 Juden, die vor Kriegsbeginn in Griechenland lebten, fanden insgesamt 58.886 in den deutschen Vernichtungslagern den Tod. Verglichen mit der Vorkriegsbevölkerung im okkupierten Europa, ist diese Zahl einzigartig hoch.

Das griechische Judentum nimmt aufgrund seiner kulturellen Vielfalt, die auf die unterschiedlichen Herkunftsgebiete der Zuwanderer zurückzuführen war, eine absolute Sonderstellung ein. Die größte jüdische Gemeinde bestand 1941 in Thessaloniki. Sie machte mit 56.000 Mitgliedern knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung der zweitgrößten griechischen Stadt aus. Überwiegend waren es Sepharden, Nachkommen der im 15.Jahrhundert aus Spanien vertriebenen und später im osmanischen Reich angesiedelten Juden. Die Gemeinde verfügte über 35 Synagogen, 16 Vereine, acht Schulen, zwei Waisenhäuser und zahlreiche Bibliotheken. Ihr Gesamtvermögen wurde auf 56 Millionen Mark geschätzt. Im Februar 1943 wurden die Juden Thessalonikis in Ghettos untergebracht und im weiteren Verlauf von den Deutschen nach Auschwitz-Birkenau deportiert. 96 Prozent der jüdischen Gemeinde Thessalonikis erlebte das Ende des Krieges nicht, bis auf 1.950 Mitbürger war ihre Gemeinde ausgelöscht worden. Das Gemeindevermögen war geplündert, der jüdische Friedhof mit seinen 500.000 Gräbern dem Erdboden gleichgemacht. Die Grabsteine wurden später von der Stadt und ihren Einwohnern jahrzehntelang als Baumaterial verwendet. Heute befindet sich an der Stelle des ehemaligen Friedhofs die Aristoteles Universität. Weitere knapp 8.000 Juden, darunter die Romanioten aus dem Gebiet von Ioannina, und von den isolierten Gemeinden auf den Inseln Rhodos, Kos, Korfu und Kreta, wurden im Zeitraum März bis August 1944 ebenfalls nach Auschwitz deportiert und ermordet. Etwa ebenso viele Juden überlebten untergetaucht, durch Flucht in den Nahen Osten oder in den von Partisanen kontrollierten Gebieten.  

Trotz des erschütternden Ausmaßes der Vernichtung der Juden in Griechenland wird das Land weit weniger mit dem Holocaust in Verbindung gebracht. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass ein öffentlicher Diskurs darüber bis vor kurzem kaum stattfand. In den 80er Jahren noch war die Geschichte der griechischen Juden und ihres unendlichen Leids nicht Teil des nationalen Narrativs. Erstmals publizierten 1974 Mikael Molcho und Iosif Nechama, zwei Gelehrte der jüdischen Gemeinde Thessalonikis, über den Massenmord an den Juden ihrer Stadt. Ihr Buch In Memoriam ist eben diesen Opfern gewidmet. Während in Westeuropa der Holocaust bereits umfassend in die Erinnerungsarbeit, die Forschung und den öffentlichen Diskurs Einzug hielt, lag der Schwerpunkt in Griechenland noch bei der Aufarbeitung der sonstigen Folgen der Besatzungszeit, wie allgemein der 40er Jahre, damit vorwiegend bei den Themen Widerstand und Kollaboration.